Einheit in Verschiedenheit 

Gottesdienst, 3. März 24 / Hanspeter Obrist

Zum Thema „Einheit in Verschiedeneheit“ könnte man ganze Vortragsreihen füllen. Mir geht es hier um eine grobe Einordnung.

Jeder von uns ist ein Unikat. Trotz aller Verschiedenheit ist Jesus die Einheit wichtig. In Johannes 17,11 betet Jesus: „Heiliger Vater! Bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, dass sie eins seien wie wir!“

Paulus schreibt in Galater 5,15: „Wenn ihr aber einander beißt und fresst, so seht zu, dass ihr nicht voneinander verzehrt werdet!“

In Epheser 4,1-3 ermutigt Paulus zur Einheit. Er schreibt: „Wandelt würdig der Berufung, mit der ihr berufen worden seid, 2 mit aller Demut und Sanftmut, mit Langmut, einander in Liebe ertragend! Befleißigt euch, die Einheit des Geistes zu bewahren durch das Band des Friedens.“

In Vers 11 fährt er fort: 11 Und er hat die einen als Apostel gegeben und andere als Propheten, andere als Evangelisten, andere als Hirten und Lehrer, 12 zur Ausrüstung der Heiligen für das Werk des Dienstes, für die Erbauung des Leibes Christi, 13 bis wir alle hingelangen zur Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes, zur vollen Mannesreife, zum Maß der vollen Reife der Fülle Christi. 14 Denn wir sollen nicht mehr Unmündige sein, hin- und hergeworfen und umhergetrieben von jedem Wind der Lehre durch die Betrügerei der Menschen, durch ihre Verschlagenheit zu listig ersonnenem Irrtum. 15 Lasst uns aber die Wahrheit reden in Liebe und in allem hinwachsen zu ihm, der das Haupt ist, Christus.

Paulus zeigt mit wenigen Worten, worauf es im Miteinander der Christen ankommt: Einheit, Ergänzung, Mündigkeit.

Mit der Formulierung „ertragt einander in Liebe“ wird deutlich, dass Christsein nicht „Friede, Freude, Eierkuchen“ ist, sondern eine Liebe, die auch unterschiedliche Standpunkte aushält.

Der Gedanke der Ergänzung zeigt auf, dass Unterschiede zum System gehören. Jesus teilt die Gaben aus. Die Idee ist, dass wir einander dienen und nicht miteinander konkurrieren. Reich Gottes bedeutet, dass keiner über dem anderen steht, sondern dass wir füreinander da sind. Je näher wir Christus kommen, desto mehr dienen wir einander so, wie Jesus diente (Markus 9,35).

Wir sind alle miteinander und mit Christus verbunden (Vers 16). Wenn dieser gegenseitige Dienst nicht funktioniert, wird die Kirche starr und kommt nicht vom Fleck.

Paulus nennt fünf Dienste, die oft in Konkurrenz zueinander gesehen werden. Tatsächlich aber sollen sie sich in Einheit ergänzen.

  • Zum Dienst des Apostels gehört die Fähigkeit, die Dinge zusammenzuhalten und den Weitblick zu haben.
  • Der Prophet spricht ein göttliches Wort in eine bestimmte Situation hinein. Das kann auch ein persönliches Wort der Ermutigung sein.
  • Der Evangelist kann die gute Nachricht von Jesus so erklären, dass es auch Menschen verstehen, die von der Bibel nicht viel wissen. Er ruft Menschen auf, sich Gott anzuvertrauen.
  • Der Hirte erkennt, was eine Gemeinschaft oder ein Mensch gerade braucht und wie es ihnen geht.
  • Der Lehrer bringt die Dinge auf den Punkt und ordnet sie ein. Er erkennt biblische Zusammenhänge und kann sie verständlich vermitteln.

Neben den 5 Gaben spielt auch unsere Persönlichkeit eine Rolle.

Im DISG-Profil erkennen wir, dass es dominante, initiative, stetige und gewissenhafte Menschen gibt. Je nach Charakter bewerten wir Situationen unterschiedlich. Es gibt auch noch andere Versuche den Charakter zu beschreiben.

Schulz von Thun hat darauf hingewiesen, dass man mit vier Ohren hört und mit vier Motiven spricht. Es gibt den sachlichen Inhalt, doch einige hören einen Appell. In dem, was wir sagen, offenbaren wir uns selbst oder wir drücken unsere Beziehung aus.

Hinzu kommt, dass jeder die Dinge anders erlernt. Es gibt Entdecker, Denker, Entscheider und Praktiker. Die einen wollen alles auswerten, die andere wollen einfach in der Praxis Gott erfahren. Wieder andere suchen nach Lehrsätzen, die dann umgesetzt werden sollen.

Je nach Kultur wachsen wir beziehungsorientiert, normorientiert oder interpretationsorientiert auf.

Hinzu kommen die unterschiedlichen Sprachen der Liebe. Für die einen sind Worte wichtig, für die anderen Geschenke, Nähe, ungeteilte Aufmerksamkeit oder etwas füreinander tun.

Das heißt, jeder geht mit Situationen völlig anders um. Darum bittet Jesus, dass wir eins werden. Eins wie er und der Vater. Wir sollen in Verschiedenheit zusammenstehen.

Die hebräische Bibel verwendet dafür das Wort «echad» und meint im Gegensatz zu «jachid» (einer) eine zusammengesetzte Einheit. Gott wird immer als «echad» bezeichnet. Auch im Deutschen kennen wir diese Unterscheidung zwischen «einer» und «eins sein».

Jesus bittet den Vater darum, dass wir eins sind und nicht, dass alle gleich sind.

Bei Paulus sehen wir, dass die Christen sich auch unterschiedlicher Meinung sein können. Vieles resultiert daraus, dass wir Dinge unterschiedlich wahrnehmen und bewerten. Was für den einen wichtig ist, spielt für den anderen keine Rolle. Und das macht ihn nicht weniger geistlich.

Es gibt auch verschiedene Denominationen oder Konfessionen. Sie alle haben unterschiedliche Schwerpunkte (Bekenntnisse).

Was bedeutet nun Einheit? Sollen alle in einer Kirche vereint werden?

Jede gesellschaftliche Gruppe hat ihre eigenen Regeln. Einheit entsteht durch ein gemeinsames Hauptthema. Im Fußballverein spielt man Fußball. Handball ist zwar auch ein Ballsport, passt aber nicht dazu.

Bei der Arbeit ist das Hauptthema die Arbeit.

In der Familie ist die Familie das Hauptthema. In unserer Verwandtschaft haben wir ganz unterschiedliche Glaubensrichtungen.  Im Umfeld der Familie steht der Glaube nicht im Mittelpunkt. Da geht es um Begegnung und Anteilnahme.

Auch Denominationen haben ihre Schwerpunkte. In Israel habe ich nachgefragt, weshalb arabische und jüdische Jesusnachfolger nicht gemeinsam Gottesdienst feiern. Die Antwort war auf beiden Seiten die gleiche. Wir haben eine andere Kultur und einen anderen Stil. Aber wir haben punktuelle Kontakte.

Das spielt auch bei uns eine Rolle. Beim Treffen zu Migrationsfragen kam zum Ausdruck, dass Migranten ihre eigenen Formen und Gewohnheiten haben. Eine gewisse Öffnung ist möglich, aber wir werden manches so machen, wie es uns entspricht.

Es gibt auch theologische Unterschiede. Als wir nach einem Umzug in die lokale Kirche gingen, sagte der Leiter im Weihnachtsgottesdienst, man lese jetzt die Legende von der Geburt Jesu. Wir haben gemerkt, dass dies keine Umgebung ist, in der wir für unseren Glauben inspiriert werden.

Für ein Hilfswerk habe ich Kontakte gepflegt. Dort wurde ich mit den unterschiedlichsten Auffassungen konfrontiert. Meine Frage war: Gibt es für mich als Christen Grenzen der Zusammenarbeit als Vertreter einer christlichen Organisation?

Ich kam zum Schluss, dass erstens klar sein muss, dass Jesus und sein stellvertretender Tod am Kreuz die Grundlage ist. Zweitens ist eine Grenze erreicht, wenn der andere mir den Glauben abspricht.

In einem späteren Beitrag werden wir uns mit der Thematik beschäftigen, dass Jesus den Anspruch hat, DER Weg und nicht EIN Weg zu sein.

Als Viva-Kirche haben wir auch einen Schwerpunkt: Wir konzentrieren uns auf das Leben, das durch die Versöhnung mit dem himmlischen Vater verändert wird. Zentral sind dabei, der stellvertretende Tod Jesu am Kreuz und die Gegenwart Gottes durch den Heiligen Geist.

Das heißt aber nicht, dass wir keine Gemeinschaft mit Gruppen pflegen, die einen anderen Schwerpunkt haben.

Ich halte es sogar für wichtig, dass wir mit Andersdenkenden im Gespräch sind. Wir werden keine Einheit erreichen, aber wir können einander mit Respekt begegnen.

Wie hat Jesus das gemacht? Er aß mit den Pharisäern, feierte mit den Essenern, diskutierte mit den Sadduzäern und hatte Zeloten im Kreis seiner Jünger.

Er war theologisch klar und begegnete ihnen mit einer Haltung der werbenden Liebe.

Paulus braucht das Bild vom Leib für die Einheit der Christen. Alles hängt vom Kopf ab. Wir sind alle einzigartig und verschieden. Wir sollen einander nicht kopieren, sondern ergänzen. Paulus schreibt in 1.Korinther 12,17: „Wenn der ganze Leib Auge wäre, wo wäre das Gehör? Wenn ganz Gehör, wo der Geruch?“ Ergänzung ist das System. Das Ziel ist, dass jeder von uns durch den anderen aufgebaut und in seiner gottgegebenen Bestimmung unterstützt wird. Ich muss also nicht so werden wie andere.

Aber eines ist klar: Christus bestimmt und prägt unser Leben.

Alles geht auf Jesus, unser Haupt, zu und nicht um Jesus herum. Die einzelnen Glieder des Leibes sind durch Christus miteinander verbunden (Epheser 4,15). Wir alle sollen erkennen, dass Jesus Gottes Sohn ist (Vers 13). Jeder Einzelne soll mündig werden und sich nicht von irgendwelchen Lehren verwirren lassen (Vers 14).

Jesus sagt es so: „Darum geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern (Matthäus 28,19).

Ein Jünger ist ein Lernender. Wir sollen also bereit sein, von Jesus zu lernen und immer in der Haltung des Lernenden zu bleiben.

Einheit entsteht durch Menschen, die sich in Jesus zu Hause fühlen und aus seiner Gnade leben.

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